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Our school


Im Juni 2023 fuhr unser Q1-Projektkurs „Schule ohne Rassismus“ nach
Hamburg, um sich mit dem Thema „Kolonialismus“ zu beschäftigen und um Petra und ihre Eltern kennenzulernen, die dort wohnen.

Koloniales Erbe

Die Spuren des Kolonialismus wurden uns von einem Historiker bei einer Stadtführung gezeigt. Er nannte uns Straßen mit Straßennamen, die bis heute nach überzeugten Kolonialisten und Rassisten benannt worden sind, und er zeigte uns, dass einige dieser Namen bis heute sichtbar in das Gestein des Rathauses gemeißelt sind. Besonders stark sieht man die Spuren am Afrikahaus, welches bis heute der Sitz der Woermann-Familie ist. Adolph Woermann war aktiv an der Errichtung der deutschen Kolonien und am Genozid an den Herero beteiligt. Diese Führung hat uns gezeigt, dass es ein schwieriger und langer Weg ist, bis koloniales Gedankengut aus den deutschen Städten und unserem Alltag vielleicht einmal verschwindet. Bei einem Punkt waren wir uns aber alle sehr einig, wir müssen mehr auf die Opfer des Kolonialismus hören und ihnen mehr Entscheidungsmacht geben.

Eine Flucht-Geschichte

Petra, Horst und Helga erzählten uns die Geschichte ihrer Flucht über die Berliner Mauer, aus der ostdeutschen DDR in die westdeutsche BRD. Sie begannen ihre Erzählung vor 1961, als sie noch nicht ahnten, dass die Mauer gebaut würde.

Der Mauerbau am 13.08.1961

Helga und Horst hatten sich 1955 auf der Arbeit in einem Volkseigenen Betrieb in Ostberlin kennengelernt und bekamen bald darauf ihre Tochter Petra. Ab 1956 hatte das Ehepaar die Gelegenheit in Westberlin zu arbeiten, während die Familie weiterhin in Ostberlin lebte. Das war zu dieser Zeit, wenn man in der DDR lebte, nicht gerne gesehen, wie uns Petra erklärte. 1961 fanden sie in Westberlin schließlich eine Wohnung und einen Kindergartenplatz für Petra und planten ihren Umzug. In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 war dann aber die Grenze zu Westberlin und Westdeutschland geschlossen und die Mauer wurde gebaut.
Alles schien hoffnungslos. Überraschenderweise besuchte die Erzieherin aus dem Westberliner Kindergarten sie bald darauf in Ostberlin (da sie einen Westdeutschen Pass besaß, konnte sie noch in die DDR einreisen), erkundigte sich, wie es der Familie ging – und bot sich als Fluchthelferin an.

Die Flucht

Im Dezember 1961 bekam die Familie plötzlich ein „Päckchen“ von einem Mann an der Wohnungstür überreicht, der in schwarz gekleidet war und sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte. Als Helga das Päckchen öffnete, fand sie 35 sorgfältig gefälschte ausländische Pässe darin – aus der Schweiz, Österreich und Schweden, aber mit den Fotos von DDR-Bürger:innen, darunter denen von Horst und Helga. Unter Helgas österreichischem Pass war ein Sohn eingetragen, in dessen Rolle nun Petra schlüpfen musste. Die anderen 33 Pässe waren für Menschen gefälscht worden, die Helga und Horst nicht kannten. Nach und nach wurden diese Pässe von den Menschen mit dem dazugehörigen Bild abgeholt. Damit wurde ein hohes Risiko eingegangen. Hätte die Familie vorher gewusst, dass sie dieses Päckchen bekommen würde, hätte sie dieser Flucht niemals zugestimmt. Horst, Helga und Petra mussten Angst haben, von Nachbarn verraten zu werden und wegen geplanter „Republikflucht“ ins Gefängnis zu müssen und voneinander getrennt zu werden. Zu jedem Pass gab es eine Uhrzeit und einen genauen Plan, wann man zum Grenzübergang gehen und die Grenze nach Westberlin überqueren sollte. Helga und Petra begaben sich – nach einem Spaziergang über den Weihnachtsmarkt, wo sie zum Beweis Zuckerwatte kaufen mussten, falls die Grenzsoldaten sie fragten, warum sie in Ostberlin gewesen seien - zu ihrer angegebenen Uhrzeit zur Grenzkontrolle. Diese Sekunden wurden von Petra als unfassbar prägend beschrieben. Die Angst, die Petra und Helga in diesem Moment spürten, ist vermutlich für viele von uns unvorstellbar, aber sie schafften es, auch wenn Helga kurze Zeit später, in Westberlin angekommen, vor den Augen ihrer Tochter eine Panikattacke hatte und in Ohnmacht fiel. In Westberlin mussten sie nun noch am abgemachten Treffpunkt auf Horst warten, der mit zwei ihm fremden „Töchtern“ über den Grenzübergang gehen musste, nachdem sie angeblich in der Oper gewesen waren, für die sie sogar die Karten beigelegt bekommen hatten, damit sie für den Fall des Falles einen Beweis vorlegen konnten. Am Ende hatte es auch Horst nach Westberlin geschafft und die Familie war nach langem Warten in der Nacht wieder vereint.


Nach der Flucht

Nach der Flucht wurde die Familie im Auffanglager in Westberlin immer wieder von den Alliierten befragt, ob sie Spitzel seien. Horst musste acht Tage lang den amerikanischen Behörden Rede und Antwort stehen, die die Fluchtgeschichte nicht glauben konnten und ihn für einen Spion hielten. Die Familie wollte nicht in Westberlin bleiben, weil die Erinnerung an die traumatische Flucht ihnen dort zu nahe ging, weswegen sie im Januar 1962 in ein Flüchtlingslager nach Hanau ausgeflogen wurde. Später zogen sie weiter nach Braunschweig, wo Helga und Horst eine Zweigstelle der Firma aufbauten, in der sie 1961 vor dem Mauerbau in Westberlin gearbeitet hatten. Übrigens wurden sie hier weiterhin beschattet, weil sie immer noch für Spione gehalten wurden, und hier wurde Petra von Einheimischen sehr oft als „Flüchtling“ beschimpft. Sicher auch deshalb setzt sie sich selbst für Geflüchtete ein. Einmal fuhren sie nach Österreich und besuchten die Familie, welche ihnen ihre Pässe zur Verfügung gestellt hatte, mit denen sie ausgereist waren, um sich bei ihnen zu bedanken. Seit Langem leben alle drei in Hamburg.

Fazit


Die Flucht der Familie von Ostberlin nach Westdeutschland betont einen bedeutsamen historischen Moment und gibt einen tiefen Einblick in die damalige Zeit. Es ist ein Privileg, eine solche Familie persönlich kennengelernt zu haben und ihre bewegende Geschichte zu hören. Sie waren sehr herzlich und es war unfassbar interessant. Auf dieser Kursfahrt waren wir manchmal sehr gebannte Zuhörer*innen, haben uns aber auch viel unterhalten und hatten viel Spaß.

Sarah Brinkmeyer und Perihan Karadag (Q1)

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